
eineinhalb kilometer zum strand
Durch das große braune Eisentor trete ich auf die Straße. Unser Grundstück mit den hohen hellgelben Mauern liegt an der Seite der großen, einzigen asphaltierten Straße, die durch Kokrobite führt. Unsere geliebte Kokrobite Road. Blickt man auf die gegenüberliegende Straßenseite, sieht man kleine Läden:
Unsere Obstverkäuferin Juliet, die immer einen Riesenstapel Bananen und ganz viele Ananas für uns parat hat. Im Moment auch überteuerte kleine Mangos, die symbolisieren, dass die Saison leider bald vorbei ist. Gleich daneben befindet sich ein Friseur, bei dem die Frauen oft bis in die Abendstunden mit Braiden beschäftigt sind. Daneben liegt eine kleine, mit bunten Holzstäben dekorierte Straßenbar.
Auf dem Weg die Straße herunter komme ich an unzähligen weiteren Shops vorbei.
Unsere „Gobe-Lady” gegenüber: bei ihr kaufen wir immer Beans & Plantains; eine Schneiderin, bei der viele junge Mädchen zur Ausbildung sind und die meine Klamotten repariert oder neue Dinge näht; eine andere sehr liebe Verkäuferin, die uns immer extra die Ingwerkekse zurücklegt, die wir bei ihr kaufen. Vorbei an unserer Kelewele-Lady, die die besten frischen Plantainballs verkauft — frittierte Bälle aus Kochbananen mit einer leicht scharfen Gewürzmischung mit Ingwer, mhhh!
Einerseits ist der Straßenrand von diesen kleinen Shops gesäumt, die allesamt entweder Lebensmittel, Haushaltsdinge, Getränke oder Streetfood verkaufen. Andererseits von zahlreichen Schneiderinnen, Friseursalons und auch Tankstellen. Die meisten kleinen Shops befinden sich in bunten Containern, vor denen das typische Angebot präsentiert wird. Oft stehen am Straßenrand auch Gebäude, die an Garagen erinnern, die ausschließlich für solche Läden gebaut sind. Oder genau diese Gebäude stehen am Straßenrand, aber ohne jegliche Shops — guckt man sich um, sieht man in Ghana (ich glaube man darf pauschalisieren) echt unendlich viele nicht fertiggestellte Gebäude. Oder schon bewohnte Gebäude, aus deren Dächern Eisenstangen ragen. Denn die Möglichkeit, in Zukunft mit neuem Geld weiterzubauen, wird sich noch offen gehalten. Die wenigen Wohnhäuser, die am Straßenrand stehen, sind solche wie unser Haus: relativ groß mit hellen bunten Mauern und einem großen Eisentor in der Einfahrt. In einem großen Haus direkt am Straßenrand zu leben ist definitiv ein Privileg und in Kokrobite ein Luxus.





Die Straße führt weiter geradeaus, Richtung Strand. Am Horizont liegt das glitzernde Meer in der Sonne. Davor kann man große Palmen, viele kleinen Häusern und das Zentrum Kokrobites mit der belebten Kreuzung erahnen.
Man spaziert weiter auf dem Fußweg entlang, der aus dem sich am Straßenrand sammelnden typischen roten Sandstaub besteht. Beim Laufen muss man vor allem als ungeübte Person darauf achten, nicht in die Nähe des Gullikanals zu stolpern, der die Barriere zwischen befahrener Straße und den Grundstücken darstellt. Neben der Straße bahnen sich Ziegen und Hühner zwischen verbrannten Müllhaufen einen Weg durch das Gebüsch. Die Straße ist viel befahren von all den Taxis: den kleinen, oft sehr schäbig aussehenden und mit gelben Flächen gekennzeichneten Autos. Dazu gesellen sich noch viele unfassbar laute und schnelle Motos, sowie Trycicles: eigentlich Motorräder in Form von Dreirädern mit Ladefläche, die Gegenstände aller Art durch die Gegend transportieren. Langsam wundert man sich auch nicht mehr, was an sich so auf den Verkehrsmitteln transportiert wird. Manchmal ragen aus dem Kofferraum Batzen an großen gefüllten Plastiktüten, von der Ladefläche erstrecken sich Holzbalken oder Metallstangen ein wenig zu weit über die Dimensionen des Fahrzeuges hinaus oder ein riesiger Laster mit Hunderten an „Water Bags“ fährt die Straße entlang und man kann nicht glauben, wie genau das alles auf der Ladefläche bleibt.
Es ist nachmittags, das heißt mir kommen auf der Straße viele Kinder entgegen, die gerade aus der Schule kommen. Die Kinder sind in Gespräche vertieft, schauen einen interessiert an oder grüßen sehr nett. Alle tragen ihre Schuluniformen, manche der bunten Farbkombinationen und Prints kommen mir bekannt vor. Schuluniformen scheinen in Ghana einen hohen Stellenwert zu haben: Es ist super wichtig, dass alle Kinder in der Schule fein angezogen sind und die Uniform in gutem Zustand gehalten wird; gleichzeitig wird mit der Uniform präsentiert, welche Schule man besucht. Doch es gibt im Umkreis so unfassbar viele Schulen, dass die Kinder auch unfassbar viele verschiedene Schuluniformen tragen.
Außerdem trifft man auch viele Verkäuferinnen an, die große Kisten voller Lebensmittel auf dem Kopf tragen und auf der Straße verkaufen. Von Gebäck über frisches Obst und lokalen Getränken in kleinen Flaschen ist ganz viel dabei.
Weil die meisten Leute am Straßenrand schlendern und ich gerne schnell gehe, überhole ich viele. Natürlich nicht ohne mich vorher umzuschauen, damit ich nicht von einem aus dem Nichts kommenden Taxi, Moto oder Tricycle umgehauen werde, weil es gerade einem Schlagloch ausweichen muss.





Bald erreiche ich die „Kokrobite Junction“: An der lauten und geschäftigen Kreuzung schlängelt man sich so gut es geht an Kokosnussverkäufern, Motofahrern, die auf Kundschaft warten, und mehr oder weniger fahrenden Taxis vorbei. Am Rand gibt es wieder alles Mögliche an Essen zu kaufen, außerdem ist hier die Taxi Station mit einem größeren Sandplatz, der die ganze Szenerie wirklich wie einen Ortskern erscheinen lässt.
Die Hauptstraße geht schräg links weiter durch Kokrobite und verläuft durch einige weitere Orte Richtung Highway. Wenn man an der Kreuzung rechts abbiegt gelangt man auf die „Langma Road“, die parallel zum Strand nach Westen verläuft.
Richtung Strand geht es nun wieder geradeaus; nun verlasse ich allerdings die Hauptstraße und laufe einen sandigen Weg herunter, der von kleineren Häusern und Hütten umgeben ist. Wenn man zwischen den Ständen und Containern hindurchguckt kann man einen Blick auf die Innenhöfe und Wege zwischen den Wohnhäusern erhaschen. Auf diesem Teil des Weges kann es einem (als weiße Person) oft passieren, dass viele kleine Kinder einem entgegen laufen, die ganz aufgeregt „hello hello hello“ rufen. Es ist definitiv eine ärmere Wohngegend von Kokrobite. Wenn ich ausblenden würde, dass dieser Teil zu Kokrobite gehört, könnte die Szenerie aus einer schlechten einseitigen Dokumentation über das ländliche „Afrika“ stammen. Vielleicht ist dieses das Bild, was die meisten Menschen in Deutschland vor Augen haben, wenn ich sage, dass ich in Ghana bin. Aber zur Realität, jetzt speziell zu meinen Eindrücken in Kokrobite, gehören eben auch noch das Bild davor und das Bild danach.



Denn auch diese Impressionen gehen bald vorüber, weil weiter den Weg herunter ein neuer Teil von Kokrobite beginnt: der touristische Strandteil. Statt kleinen Hütten liegen am Wegesrand nun exklusivere Unterkünfte, die vor allem europäische Gäste anziehen. Die Shops verkaufen nun nicht mehr Alltagsgegenstände, sondern Accessoires wie Bauchketten, Fächer und Taschen mit African Prints oder aber auch Kunst und Souvenirs. Es ist stiller hier. Die Geschäftigkeit der Straße und des Wohnviertels scheint ganz weit weg.
Und dann hat man auch fast den Strand erreicht. Die Atmosphäre ist entspannt und heiter. Man hört schon das Rauschen der Wellen und den durch die hohen Palmen wehenden Wind. Links geht es zu Big Millie’s: Kokrobites Zentrum für jegliche Touristen und Freiwillige, die aus anderen Teilen Ghanas nach Kokrobite kommen oder auch für die Gemeinschaft der Surfer, Tänzer und vieler anderer Locals, die dem Tourismus nah sind.
Auf der rechten Seite gelangt man zu vielen anderen Locations, die am Strand liegen. Verschiedene Hotels, aber auch die Strandbar Dizzy Lizzies: Mein Lieblingsspot zum Lesen, Schreiben, Quatschen oder Chillen nach der Arbeit oder um am Wochenende einfach Zeit am Strand zu verbringen und schwimmen zu gehen. Bei Dizzy Lizzies läuft immer Musik, die vom lauten Meer untermalt wird. Trotzdem ist es auf eine bestimmte Art friedlich. Jedenfalls unter der Woche. Am Wochenende wird es lebhafter, vor allem am Sonntag. Der Strand und auch Dizzy Lizzies sind sonntags proppevoll. So viele Menschen, die in Kokrobite und den umliegenden Gebieten wohnen, verbringen ihre Zeit hier und auch viele (ghanaische und ausländische) Touristen sind anzutreffen. Sitzt man sonntags gegen Nachmittag an einem großen Tisch, trifft man wahrscheinlich so viele (oder mehr) bekannte Gesichter, wie wenn man sich am ersten Frühlingstag in Hamburg für einen Elbspaziergang entscheidet : )



das waren alles persönliche eindrücke von den eineinhalb kilometern zum strand. einfach viele dinge, die mir auf diesem weg immer wieder auffallen. fotos gibt es vor allem von den beschriebenen lebendigeren szenen oder mit menschen nicht, weil ich dabei offensichtlich nicht einfach mein Handy zücken kann…