
ein tag in cape coast
Einfach mal einen Tag durch die Stadt laufen und dabei die Augen offen halten. Oder besondere Situationen, die sich ergeben, bewusster wahrnehmen als im Alltag. Wenn man das ganz aktiv macht, fallen einem in einem kleinem Zeitfenster so unfassbar viele Dinge auf, die die Kultur oder Gewohnheiten einer Gesellschaft repräsentieren.
Genau daraus bestand auch eine unserer Aufgaben auf dem Zwischenseminar: Zu zweit durch Cape Coast spazieren, dabei wahrnehmen, was sich um uns herum befindet, welche Assoziationen und Bilder bei uns hervorgerufen werden, welche Emotionen dabei hochkommen und wie wir unsere eigene Rolle dabei sehen.
Der Spaziergang beginnt direkt bei unserer Unterkunft, dem „Holy Cross Centre“. Das Gelände ist ruhig, aufgeräumt und grün. Die Stimmung ist friedlich und man merkt nichts des Trubels, der in Ghana vor allem auf den Straßen immer so präsent ist.
Außerhalb des Geländes betreten wir eine andere Welt, man würde vielleicht sagen ein „typischeres Ghana“, auch wenn natürlich beide Orte „gleich viel Ghana“ sind.
Wir gehen durch die sandigen Straßen, die dicht an dicht von kleinen Häusern und Hütten gesäumt sind. Davor werden hin und wieder Lebensmittel verkauft. Auf den Wegen laufen viele Kinder umher. Erwachsene sitzen neben ihren Shops. Objektiv betrachtet ist dies eine ärmere Gegend.
Beim Durchlaufen der Straßen kommt ein Gefühl hoch, was man irgendwie nur Unwohlsein nennen kann. Wenn ich so nah an der Privatsphäre der dort lebenden Menschen vorbeispaziere, möchte ich eines unbedingt vermeiden. Die Armut als eine Attraktion zu nehmen, beziehungsweise dass die Menschen dies denken und in ihren Augen wie ein „Armutstourist“ zu wirken. Deswegen würde ich nie auf die Idee kommen, in so einem Umfeld mein Handy zu zücken und die Menschen oder ihre Wohnsituation abzulichten. Gleichzeitig können wir in diesem unmittelbaren Moment nichts daran ändern, dass wir auffallen, während wir durch die Straßen laufen. Als weiße Person fallen wir immer auf. Zwei Stereotype, die wahrscheinlich mit uns verbunden werden, sind Wohlstand und Unwissenheit.
Von dem eher einfachen „Dorf“ gelangen wir den Hügel herunter zu einer großen asphaltierten Straße. Die Häuser werden größer und haben eine andere Bauart. Es ist mehr los: Viele Autos fahren umher. Aufgrund ihrer schickeren und traditionellen Kleidung scheinen viele Menschen, die wir auf der Straße sehen, reicher zu sein.
Das komische Gefühl verschwindet, weil es sich nicht danach anfühlt, in die Privatssphäre der Menschen einzudringen. Wir werden weniger beobachtet. Und generell fühlt es sich auch so an als ob wir eher hier hingehören als in die Straßen, durch die wir eben noch geschlendert sind.
Mit dem Taxi soll es für uns jetzt aber ins Zentrum von Cape Coast gehen.
Schlechte Vorbereitung unsererseits ist, dass wir Bargeld nur in Form von 100 Cedi-Scheinen dabei haben. Zu groß für den Alltag wenn man nicht viel bezahlen muss. Unser Taxifahrer hat wie zu erwarten kein passendes Rückgeld. Unterwegs muss er nun andere Menschen nach Wechselgeld fragen, obwohl wir uns besser hätten vorbereiten müssen. Wir erfüllen also das Klischee von weißen Touristen, die sich nicht mit dem ghanaischen Alltag oder der Währung auskennen. In diesem Moment sind wir in der Touristen-Rolle gefangen. Natürlich treffen auch viele Stereotype, die unser Taxifahrer vielleicht im Kopf hat, auch zu. Gleichzeitig ist es glaube ich jedem Freiwilligen ein Anliegen, sich von normalen Touris abzugrenzen. In dieser Situation können wir zum Beispiel durch Verhandlung über den Preis signalisieren, dass wir uns auskennen, um nicht ganz unwissend zu erscheinen und deswegen abgezogen zu werden.
Generell: Inwiefern können wir eigentlich beeinflussen, in welcher Rolle uns Leute sehen? Für unsere spezielle Situation in Ghana fängt das dabei an, dass wir unsere Kleidung bewusst wählen, unser Auftreten und Verhalten an Situationen und die Kultur anpassen und wissen wann es angebracht ist, unser eigenes Ding durchzuziehen oder eben auch nicht. Die lokale Sprache wenigstens ein bisschen sprechen zu können, hilft uns persönlich viel, um der Kultur gleich ein wenig näher zu sein, auf die Menschen zuzugehen und ihre Sprache wertzuschätzen und gleichzeitig zu demonstrieren, dass wir schon länger hier sind als ein Kurzurlauber. Das gleiche gilt auch für die beschriebene Situation mit den Preisverhandlungen. Meist sind hier Preise für Obst auf dem Markt oder bestimmte typische Taxi Strecken einheitlich. Diese Preise zu kennen ist extrem wichtig, damit der Anschein, man kenne sich nicht aus, nicht dazu führt, dass man am Ende gutmütig den doppelten Preis zahlt. Auskennen ist im Großen und Ganzen das Wichtigste: Die Währung kennen, verschiedene Orte und Namen im Kopf haben, um zu erklären wo man hin möchte — man könnte noch ganz viele andere Dinge aufzählen.
Auf der anderen Seite muss man aber sagen: Wir können unsere Rolle niemals komplett beeinflussen. Durch die beschriebenen Dinge funktioniert dies immer nur bis zu einem gewissen Grad. Der Blick der Anderen, hier der Einheimischen, wird selbstverständlich gewisse persönliche Erfahrungen und Stereotype mit uns in Verbindung setzen. Und dies vor allem, wenn wir nicht in konkretem Austausch mit den Menschen stehen. Wir werden niemals so gesehen werden oder so sein, wie die Locals. Aber der direkte Kontakt zu Menschen, der Dialog, scheint das beste Mittel zu sein, um wirklich zu beeinflussen, wie genau eine Person einen wahrnimmt.

Aber zurück zu den Bildern die während der Fahrt vorbeiziehen: Cape Coast ist meinem Anschein nach eine unfassbar grüne Stadt. Unterwegs sieht man Hügel, Bäume und zwischendrin ein paar eher größere Häuser. Dann erreichen wir das Stadtzentrum und mich erinnert wieder ganz viel an die vollen, pulsierenden und lebendigen Straßen von Accra. Überall sind bunte Shops, unfassbar viele Menschen und viel Verkehr, Essensverkaufsstände, Taxis, Trotros, und und und. Aber vor allem gibt es in Cape Coast auch kleine gelbe Tuktuks, die in Kokrobite nicht wirklich typisch sind.
Insgesamt gefällt mir das, was ich von Cape Coast gesehen habe, richtig gut. Es gibt so viel Grün und den schönen Strand. Als größere Stadt bietet Cape Coast aber noch ein anderes Flair: Die Stadt ist lebendig und auf den Straßen ist viel los. Vor allem im Stadtkern sind mir viele alte Gebäude aufgefallen, die an schicke portugiesische Häuser erinnern — die Stadt spiegelt also ihre koloniale Vergangenheit wider. Verglichen mit Accra ist auch der Aufbau der Stadt ganz anders, da ich das Gefühl hatte, dass es ein richtiges Stadtzentrum gibt. Vielleicht ist auch dies geschichtlich geprägt, so tiefgreifend ist mein Wissen nun aber auch nicht…
Bilder habe ich leider fast gar keine weil wir so konzentriert reflektiert haben : (
Beim Cape Coast Castle, also genau beim Touri-Hotspot, steigen wir aus. Wir wollen versuchen, auf diesem Spaziergang einmal alle Kontraste mitnehmen, die die Stadt wohl zu bieten hat. Als weiße Frauen werden wir natürlich nach wenigen Sekunden angequatscht, diesmal von einem Ladenbesitzer, mit dem ich ziemlich nett getratscht habe. Er hat auch mal in Deutschland studiert und davon ein wenig erzählt. Generell wird man unterwegs immer unfassbar viel angesprochen. Manchmal ist es nur ein knappes „how are you“. Manchmal muss man hartnäckig signalisieren, dass man sich nicht unterhalten möchte. Manchmal ist es aber auch einfach witzig und interessant, sich auf der Straße auf ein spontanes Gespräch einzulassen. Es kann anstrengend werden, wenn Leute dir überproportional viel Aufmerksamkeit schenken und deswegen immer ein Gespräch suchen. Trotzdem habe ich mich noch nie in so einer Situation unwohl oder unsicher gefühlt. Mit genug Selbstbewusstsein und Bestimmtheit kann man auch jedem erfolgreich signalisieren, dass man in Ruhe gelassen werden möchte. Und meiner Erfahrung nach sind die meisten Leute einfach interessiert und verfolgen eine freundliche Absicht. Über dieses Thema könnte man aber wirklich ein ganzes Buch schreiben.

Holy Cross Centre

Cape Coast Castle
Vorbei an Shops die ganz viele bunte Kleider, Taschen und Fächer verkaufen, schlendern wir kurz die Straße entlang und gehen Richtung Strand. Wir entscheiden uns zwar gegen das Beach Resort, wo wir schon ein paar von den anderen Freiwilligen gesehen haben und gehen zu einer kleineren Strandbar (wo wir aber auch nicht die einzigen unserer Gruppe waren). Das ist schon die erste Beobachtung: Irgendwie zieht es uns ja alle zu diesen schönen Beach Resorts oder Beach Bars und manche sind davon mehr und manche weniger eigentlich nur auf (weiße) Touristen und Freiwillige ausgelegt.
So, das war jetzt unser bunt zusammengemixte Tag in Cape Coast.
Wenn man an unseren Tag zurückdenkt und sich die unterschiedlichen Stationen anguckt, merkt man, welch unterschiedliche Welten so eine Stadt wie Cape Coast zu bieten hat. Besonders wichtig zu benennen ist aber der Unterschied, dass wir uns es leisten können, mal eben von den Straßen, die unsere Unterkunft umgeben, einen Abstecher zu einer Bar am Strand zu machen. Und dabei spielt eigentlich vor allem unser Geld eine Rolle. Wir können uns so frei durch die Stadt bewegen, wie wir wollen. Wenn wir nicht mehr in den lauten vollen Straßen sein wollen, hauen wir einfach in eine Strandoase ab und schlürfen ein kaltes Getränk. Und irgendwie ist es krass und auch unfair, wie man dabei alles andere so plötzlich ausblenden kann. Wie man vergessen kann, welche Unterschiede und Ungerechtigkeiten zwischen diesen beiden Welten bestehen. Wie man Schwierigkeiten, die die Kultur betreffen, meist auch vergessen kann, weil man sich an solchen Orten fast immer in einer weißen Bubble wiederfindet.
Und da kommen wir wieder zu unserer Rolle zurück: Im Grunde liegt es doch auch an uns selbst. Denn bestimmte Rollenbilder treffen einfach auf unsere Gewohnheiten zu. Und wir fallen auch selbst immer wieder in diese Rolle zurück und suchen das Vertraute. Wir hätten uns auch anderswo als in der Beach Bar etwas zu trinken kaufen können. Aber wir kennen es und mögen es. Und das ist auch okay so. Aber bestätigt eben auch ein kollektives Bild, was viele von weißen Touristen und auch Freiwilligen im Kopf haben.

Beach Bar

Veganer Foodspot in Cape Coast