
reisereflexion
Reisen. Ich bin hier in Ghana zwar noch nicht in großem Stil herumgereist, aber an ein paar wenigen, ausgewählten und sehr sehr schönen Orten war ich schon. Ich habe auch noch vor, viel vom Land zu sehen, möchte die Luft der verschiedenen anderen Städten schnuppern, andere Naturlandschaften erblicken und mehr sehen als nur Greater Accra oder die Central Region an der Küste.
Gleichzeitig ist mir bei unserem letzten Trip bewusst geworden, wie zweiseitig meine Tourismus-Erfahrung beziehungsweise meine Gedanken dazu sind. Wie einfach es für mich ist, es mir einfach nur gut gehen zu lassen und alles andere auszublenden. Doch jetzt gerade möchte ich noch einmal bewusst auch über unangenehme oder seltsame Seiten vom Reisen reden…
Nach Neujahr stand unser Zwischenseminar an, für das wir nach Cape Coast gereist sind, um dort ganze sieben Tage zu verbringen. Die paar Tage davor haben wir dann für einen Kurztrip genutzt: zu zwei süßen Spots an der Küste, die ein wenig hinter Cape Coast liegen. Zwei wirklich traumhaft schöne Orte, die zum hundertprozentigen Entspannen einladen können. Dort kann man so richtig abschalten, genießen und einfach ein wenig die Seele baumeln lassen.
Einer unserer Spots: Cape Three Points (Kap der drei Spitzen). Was diesen Ort so besonders macht, ist außerdem die Lage als südlichster Punkt Ghanas und als derjenige Landpunkt, der dem „Mittelpunkt der Erde“ am nächsten ist. Irgendwo vor der ghanaischen Küste im Golf von Guinea kreuzen sich nämlich der Äquator und der Nullmeridian.
Unsere Unterkunft dort war eine Eco Lodge mit einem Nachhaltigkeitskonzept voller Naturmaterialien, Recycling, Kompost-Klos, eigenen Plantagen, sehr überzeugendem leckeren Essen und noch ganz viel mehr fancy klingenden Sachen, die aber auch wirklich gut waren.





Nach viel Zeit am ruhigen Strand haben wir den Leuchtturm der Südspitze (des südlichsten Punkts) besucht und auf unserem Weg dorthin das volle Paket mit allen Kontrasten, die Ghana so zu bieten hat, mitgenommen. Zuerst schlendern wir über den paradiesischen Strand, dann spazieren wir durch einen kleinen Waldabschnitt, der irgendwie voller Müll ist (bei uns in Kokrobite liegt dieser Müll eher angespült am Strand), letztendlich führt uns der Weg durch ein kleines ruhiges Dorf und von da aus eine Straße entlang zum Gelände, auf dem der Leuchtturm steht.
Der Ausblick vom Leuchtturm war traumhaft! Unzählig viele Palmen, rechts und links dieser kleinen Südspitze friedliche lange Strände und dazu das Brechen der Wellen an den Felsen ein paar Meter unter uns.
Was im Nachhinein allerdings auch geblieben ist, ist ein Gefühl der Absurdität. Durch die Straßen des Dorfes wieder zurück zu unserer Lodge zu laufen. Keiner im Dorf weiß dabei wer wir sind. Für sie sehen wir aus wie normale Touris, die vielleicht nur zwei Wochen in Ghana verbringen und kurz in ihr Dorf gestolpert sind.
Cape Three Points,
Western Ghana

Tourismus und Alltagsleben existieren so nah nebeneinander. Und beherbergen aber doch solch unterschiedliche Welten. Die Eco-Lodge war wirklich ein Träumchen, aber gleichzeitig ganz klar ein Ort für weiße Touristen. Um schön in ihrer Bubble zu entspannen und die Vorzüge eines nachhaltigeren, entspannteren Lebens zu genießen.
Gleichzeitig existiert wenige hundert Meter weiter dieses „normale“ ghanaische Dorf, dessen Einwohnende wohl nie die Eco Lodge besuchen werden, aber dessen Touris durch ihr Dorf spazieren sehen. Bestimmte Dinge werden nur einer Gruppe exklusiv bereit gestellt. Man merkt, dass es eine ganz klare Grenze gibt. Locals halten sich nicht an touristischen Spots auf und es ist komisch als Touri dann doch irgendwie durch das Dorf und irgendwie in die Privatsphäre der Menschen zu stolpern.
Beim Reisen durch Ghana bleibt jedenfalls ein seltsames Gefühl, der mich über das ganze Reisen kritisch nachdenken lässt. Vor allem an solchen Orten, an denen man einmal komplett rauszoomen könnte, und alles über gesellschaftliche Verhältnisse und Ungerechtigkeiten so einfach vergessen kann, weil man ein kühles Getränk in der Hand hat, vorher am Strand gelegen hat und „das Leben einfach gut ist“.
Ich liebe diese Art von entspannendem Urlaub auch unfassbar und möchte diese tollen Orte und Unterkünfte nicht verpassen. Ein bisschen Eskapismus kann auch immer gut sein. Aber ich reise gerne weiter durch Ghana mit dem bewussten Gedanken, das Touri-Sein ein Luxus ist. Und dieser Luxus ist leider meist einseitig, beruht eben nicht immer auf Gegenseitigkeit, findet nicht auf Augenhöhe statt, so gerne man es wollte. Es bleibt ein gewisses Ungleichgewicht bestehen, dass einfach aus dem Herumreisen und dem Tourismus an sich entspringt.
Für meine eigene touristische Zukunft (in und nach Ghana) möchte ich wenigstens beibehalten, mich immer gut über mein Ziel zu informieren. Denn wir als Freiwillige, die hier ein Jahr lang wohnen, sind aus Prinzip (zum Beispiel durch das Vorbereitungsseminar) schonmal besser vorbereitet. Wir kennen uns bezüglich Umgangsformen eher aus, gehen wahrscheinlich mehr auf Locals zu als es „normale“ eher unvorbereitete Touristen tun würden und kennen einen Einblick in den Alltag der Menschen, den ein Tourist meist nicht zu Gesicht bekommt. Sich bei Reisen also vorher umfassend vorzubereiten hat für mich auch etwas mit Respekt gegenüber dem Gastland und den Menschen zu tun, damit man nicht so als fremde unwissende Last zur Tür hereinstolpert.
Eine andere Sache wäre für mich noch, anders zu reisen, vielleicht nicht den Fokus auf die größten Sehenswürdigkeiten zu legen, sondern eher aktiv den Kontakt und Austausch mit den Menschen und ihrer Kultur zu suchen. Sonst kann ich am Ende an den tollsten, beeindruckendsten Orten und Gebäuden gewesen sein ohne dass ich danach von mir sagen kann, ein Land und dessen Menschen wirklich kennengelernt zu haben…