ghana, gold & globale gerechtigkeit

Ein kleiner Exkurs in die ghanaische Goldlandschaft:
Fährt man ins Landesinnere Ghanas, irgendwo auf einer brüchigen roten Sandstraße zwischen Accra und Kumasi, kann man unglaublich viele Landminen am Straßenrand entdecken. Die meisten sind verwahrlost und voller Wasser, zu dreckigen braunen Seen verschwommen.
Die Szenerie kann man aus dem Taxifenster unterwegs beobachten.
Die spannenden Geschichten dazu liefern die Locals, wenn sie erzählen, was sich in der ghanaischen Rohstoffbranche abspielt und inwiefern die communities davon beeinflusst werden.
Das hat mich angeregt, noch mehr über eine wirtschaftliche Seite Ghanas zu erfahren, in der Machtstrukturen und die Frage nach Gerechtigkeit eine große Rolle spielen.

Ghana ist reich an natürlichen Ressourcen. Reich an Gold. Der Goldabbau hat in dem an der westafrikanischen Küste gelegenen Land eine lange Geschichte, die bis zum vorkolonialen Königreich der Ashantis zurückreicht. Zu Kolonialzeiten erlangte das heutige Ghana den Namen „Gold Coast“, denn der wertvolle Bodenschatz war neben Holz und Elfenbein ausschlaggebend für den frühen Handel mit den Portugiesen und später weiteren Europäern. Unter Kolonialherrschaft wurden erste Unternehmen im Bergbau gegründet und es gab einen gewissen Boom, der den Standort Gold Coast für ausländische Interessierte attraktiv machte. Nach der Unabhängigkeit ging die Goldproduktion infolge politischer und wirtschaftlicher Instabilität zurück — doch heutzutage findet wieder ein enormes Goldgeschäft statt. 

Ghana ist größter Goldproduzent in Afrika und sechstgrößter weltweit. Ein Drittel aller Exporterlöse hängen mit der Förderung von Gold zusammen und die größte Bergbaugesellschaft ist nach der Regierung auch größter offizieller Arbeitgeber des Landes. 
Trotzdem wird das meiste Gold illegal und in kleinen Gebieten und Mengen und auch von Frauen und Kindern abgebaut. 
Das sogenannte „artisanal and small-scale gold mining“ macht einen Anteil von 80% des Goldabbaus aus und beschäftigt schätzungsweise eine Million Menschen. Mit ca. 3 Dollar pro Tag verdienen die illegal Beschäftigten immer noch weitaus mehr als in traditionelleren Beschäftigungen wie zum Beispiel der Landwirtschaft. 
Die meisten dieser kleinen Abbaugebiete fallen auf das Konto der „Galamseys“ (ghanaisches Pidgin, “gather and sell”). Der Kleinabbau wird von Gruppen lokaler Arbeitenden organisiert, die abseits von Flüssen in kleinen Wasserbecken nach Gold fischen — das Ganze findet illegal statt, da die Regierung nur wenige Lizenzen für den Abbau von Gold zur Verfügung stellt und diese meist an die großen Unternehmen gehen. Trotzdem ist die illegale Arbeit unfassbar wichtig für die lokale Bevölkerung, denn es gibt einen generellen Mangel an Arbeitsplätzen in solchen Unternehmen. Doch der Goldabbau ist nicht nur illegal sondern auch extrem umwelt- und gesundheitsschädigend. Für die Extraktion des Goldes wird Quecksilber benutzt, ohne Schutzausrüstung kommen die Arbeiter also tagtäglich mit dem hochgiftigen Metall in Berührung. Anschließend landet das Quecksilber mit dem Sand wieder im Fluss und schädigt dort das Ökosystem nachhaltig. Und auch die Menschen selbst betrifft die Umweltverschmutzung auf lange Sicht. Laut der Ghana Water Company wird die Herstellung von sauberem Trinkwasser immer schwieriger und teurer, da ganze Flusslandschaften von Chemikalien durchseucht sind. Der illegale Goldabbau stellt also ein Umweltdesaster da, das zudem Gesundheit und Lebensgrundlage vieler Locals gefährdet. 

Doch wechselt man in die Perspektive der Locals, die in den Dörfern im Landesinneren, nahe der im Boden liegenden Goldreserven, wohnen, versteht man, warum es dennoch so viele ins illegale Goldgeschäft zieht. Es gibt kaum legale Arbeitsplätze im Goldgeschäft, wo doch gerade diese wertvolle Ressource eine starke Branche und Perspektive für die Locals darstellen sollte. Eine Ressource, die möglicherweise im Boden neben dem eigenen Haus liegt. Obwohl die Kleinhändler global betrachtet nur Spottpreise erhalten, ist der Verdienst in ghanaische Verhältnisse umgerechnet enorm. 

Illegaler Goldabbau ist bei Weitem profitabler als zum Beispiel traditionelle Landwirtschaft. So werden unfassbar viele Locals vom „Gold-Magnetismus“ angezogen (nein, Gold ist nicht wirklich magnetisch).
Und es ist nur verständlich, dass die lokale Bevölkerung von ihren eigenen Bodenschätzen profitieren möchte. Dadurch wird deutlich, dass vor allem finanzielle Not der Grund dafür ist, dass das so gefährliche Gold Mining von so vielen Ghanaer:innen betrieben wird. Und dass die Menschen sich eine eigene Perspektive suchen, da die Regierung und der Arbeitsmarkt den meisten Einwohnenden auf dem Land keine Perspektive bieten, um den Lebensunterhalt zu decken. 

Wenn man auf Globale Gerechtigkeit schaut, merkt man auch, dass die derzeitige Situation nicht nur auf Mismanagement der Regierung oder sonstige lokale Faktoren zurückzuführen ist. Die Theorie der Globalen Gerechtigkeit befasst sich beispielsweise damit, wie Ressourcen global verteilt sind, vor allem im Vergleich des globalen Südens und globalen Nordens.
Das Goldgeschäft reiht sich in eine Liste von Industrien und Branchen ein, in der Länder des globalen Südens zwar reich an Ressourcen sind, aber nicht in vollem Maße selbst von diesen profitieren. 
Ausländische Unternehmen, meist chinesische Firmen, bedienen sich am großen Goldvorkommen Ghanas. Das dafür nötige Land erwerben sie meist für einen niedrigen Preis bei den Chiefs der Community. Dieser Prozess geschieht rechtmäßig, doch von dem Profit kommt im Endeffekt nichts bei der Community und direkt bei den Einwohnenden an. Eine hohe Summe an Geld scheint attraktiv für viele Chiefs. Denn dies verspricht auf kurze Sicht einen vermeintlich höheren Wert als den bloßen Besitz des Landes. So handeln viele Chiefs nicht im Sinne ihrer eigenen Community. Der Reiz schnellen Geldes verhindert die Möglichkeit, langfristig aus den eigenen Ressourcen einen Mehrwert für die eigene Bevölkerung zu erwirtschaften. Es entsteht kein nachhaltiger Reichtum. Und das „kolonialistische” System, in dem ausländische Beteiligte sich an den Rohstoffen eines anderen Landes bedienen und aus ihnen mehr Wert schöpfen als im eigentlichen Ursprungsland ankommt, wiederholt sich und wird nicht gestoppt. Durch diese „Ausbeutung“ in wichtigen Industrien wie der Rohstoffindustrie wird die globale Machtasymmetrie weiter reproduziert.
Sollte nicht die Ressource, die sinnbildlich für den Reichtum Ghanas steht, lokale statt internationale Akteure bereichern?


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