september eindrücke
Wenn ich auf den ersten nun vergangenen Monat zurückblicke, kann ich mich nicht ganz entscheiden, ob er sich wie eine Ewigkeit anfühlt, oder ob die Zeit bis jetzt wie im Flug vergangen ist…
Seit meinen ersten Tagen hier ist unfassbar viel passiert.
Wir (Anna, Lucy & Ich) konnten gemeinsam viele Menschen kennenlernen und uns schon richtig in unseren Alltag einfinden. Deswegen scheinen die ersten, so unsicheren und total aufregenden Tage schon so lange her. Gleichzeitig ist von dem ganzen Jahr, das ich hier bleibe, erst ein ganz kleiner Teil vergangen; es liegt noch so viel Zeit hier vor mir.
Während wir natürlich auch viele richtige Unternehmungen gemacht haben, ist gefühlt am meisten bei den alltäglichen Dingen passiert. In den ersten Tagen waren einkaufen gehen auf dem Markt und Taxi fahren für mich die größten Erlebnisse. Jetzt haben wir dabei schon ordentlich Routine und es fühlt sich total normal an, gegenüber bei unserer lieben „Fruit Lady“ Bananen und Avocado zu kaufen.
Doch auch mittags Essen auf der Straße holen oder auf dem Markt einkaufen bleiben trotzdem noch spannend, weil es so Vieles gibt, was wir noch probieren können und die Kommunikation teilweise noch nicht einwandfrei klappt.
Ich erinnere mich aber noch ganz klar an unsere erste Fahrt im Trotro, wo wir hinten auf der letzen der ausgebauten Stuhlreihen im umgebauten Camper saßen, der durchs Fenster wehende Wind meine Haare total durchwüstet hat und ich einfach nur die vorbeiziehenden Häuser und Menschen und Autos anstarren konnte und mir dies als Event des Tages gereicht hat. Es sind einfach so viele Eindrücke auf einmal gewesen.
Auch ein gemütlicher Sonntag in der ersten Woche, an dem wir eigentlich nichts richtig getan haben, außer das erste Mal das Erlebnis zu haben, die ganze Wäsche mit Hand in großen silbernen Waschschüsseln zu waschen, war offensichtlich doch ganz aufregend, einfach neu.



Ganz einfache Alltagsszenen, die einem sofort klar machen, dass man sich jetzt in einem anderen Land, auf einem anderen Kontinent und in einer anderen Gesellschaft befindet, spielen sich meist auf der Straße ab, sobald man einen Fuß vor die Tür setzt.
Hügelige Straßen auf denen unzählige Autos hintereinander über die Straßenschäden herhoppeln.
Ein vorbeifahrendes Trotro aus dem ein sich weit aus dem Fenster lehnender Typ „Accra Accra Accra“ ruft , um danach die Tür zu öffnen und aus dem fahrenden Camper zu springen.
Unzählige Stände am Straßenrand, an denen wir uns frisches Obst und Gemüse, donutartiges Gebäck, gegrillte Kochbananen oder irgendein typisches street food holen könnten.
Und dabei hupt jede Minute ein überholendes Taxi, wovon es wirklich unzählige hier gibt. Oft laufen Ziegen über die Fahrbahn, manchmal auch Hunde oder Hühner.
Geräuschkulisse: eine Frauenstimme singt abends über ein Mikro irgendwelche tollen R&B Songs. Kirchenpredigten schallen am Sonntag den ganzen Tag lang durch die Straßen. Irgendjemand legt plötzlich am Straßenrand mit riesigen Boxen auf. Beats. Und ganz ganz laut. Morgens um sechs sitzt ein krähender Hahn auf unserer Mauer, und zu unserem Bedauern manchmal auch schon um vier.
Am Strand hört man das Tosen der Wellen und den Wind, der hoch oben durch die Palmen zieht. Wenn ich in irgendeiner Stadt wäre, die nicht am Meer liegt, würde ich wohl den hamburgisch gewohnten Wind sehr vermissen. Und außerdem kommt es mir hier überhaupt nicht zu warm vor, weil immer ein leichtes Lüftchen weht.
Wenn man ein bisschen die Luft schnuppert, riecht man aber auch den Sandstaub. Irgendjemand verbrennt auch immer irgendetwas irgendwo. Teilweise rieche ich gerade auch den Regen.
Hier bedeutet Regenzeit gerade, dass sehr schnell dunkle Wolken aufziehen können und es dann 5 Minuten später sowas von aus Eimern schüttet, dass man plötzlich nur noch die auf die Dächer schallernden Wassermassen hört und niemand mehr draußen unterwegs ist. Diese Art von Sturm haben wir bis jetzt dreimal erlebt, aber an anderen Tagen regnet es auch viel milder und an vielen natürlich auch gar nicht.



Besonders positiv aufgefallen ist mir die Gastfreundschaft, mit der wir hier begrüßt wurden.
Unsere Mentorin (Janet) hat uns gleich zu Beginn zu einer Krönung in ihrem Heimatdorf eingeladen, bei der wir nicht nur die einzigartige Zeremonie miterleben, sondern auch Teile ihrer Familie kennenlernen durften und lecker bekocht wurden.
In unserer ersten Wochen wurden wir von unserem Ansprechpartner der Schule (Desmond) total an die Hand genommen und waren viel hier in Kokrobite unterwegs; das erste Mal an der Schule, mit dem Rad durch die kleinen Straßen, verschiedenes Street Food probieren oder was man halt so macht, wenn alles neu ist.
Auch das „Kollegium“ bei uns an der Schule hat uns sehr gut aufgenommen. Bei einem gemeinsamen Besuch bei einer Lehrerin, die gerade ein Kind bekommen hat, durfte ich sogar ihren Sohn halten, obwohl wir uns erst ein paar Minuten vorher das erste Mal begegnet sind.
Ein großer Unterschied sind auch Begegnungen auf der Straße oder beim Einkaufen, bei denen immer ganz locker und viel gequatscht wird. Ein kleines Ziel von mir ist, noch ein bisschen Twi zu lernen, um in Gesprächen mit Locals einfach einen bisschen besseren Draht zu haben und in gewisser Weise durch das Sprachenlernen die Kultur zu schätzen.
Sehr bewusst geworden ist mir in den ersten Tagen auch, dass man hier als weiße Person, vor allem als weißes Mädchen, schon auffällt. Da ist es schon ein besseres Gefühl, nach ein paar Wochen sagen zu können, dass ein paar Menschen, zum Beispiel die Frauen auf dem Markt, dich wieder erkennen.
Gleichzeitig sind die Menschen hier in Kokrobite internationale Freiwillige sehr gewohnt, vor allem im Vergleich zu den Menschen aus dem Dorf, in das wir zur Krönung gefahren sind.
Das sind aber zugegebenermaßen alles sehr sehr subjektive Empfindungen (von mir und uns gemeinsam), die sich auch schon mit der Zeit total verändert haben. Zu Beginn hatte ich noch viel stärker das Gefühl, aufzufallen und jetzt wird mir auch bewusst, dass wir jetzt langsam zu normalen Leute werden, die hier jetzt wohnen : )
Trotzdem wird die kritische Reflexion unseres „Weißseins“ ein beständiger und wichtiger Teil unseres Freiwilligen Internationalen Jahres hier bleiben, wobei ich versuchen möchte, meine Erfahrungen differenziert, kulturbewusst und durch einen Perspektivwechsel zu teilen.